Trotz politischer Störfeuer und interner Kritik hält die Fed an ihrer Zinspause fest – und ignoriert damit die Forderungen des US-Präsidenten.
Die Störgeräusche rund um die Zinspolitik der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) ebbten auch vor dem jüngsten Zinsentscheid nicht ab. Fast schon in gewohnter Manier hinterlegte die US-Administration unter Präsident Donald Trump ihren Wunsch nach Zinssenkungen, und sogar innerhalb der Fed wurden Stimmen lauter, die eine erste Zinssenkung forderten.
Doch davon unbeirrt setzte die US-Notenbank ihre diesjährige Zinspause auch bei der fünften Zinsentscheidung des Jahres fort und belässt die Leitzinsen zunächst unverändert in der Bandbreite von 4,25 bis 4,5 Prozent. Dahinter verbirgt sich insbesondere die Absicht, zollbedingte Aufwärtsrisiken für die Inflation noch weiter beobachten zu wollen. Ein nachvollziehbarer Schritt.
Schließlich lag die Kerninflation, gemessen am Consumer Price Index, im Juni bei 2,9 Prozent und bewegte sich damit weiter spürbar oberhalb des Zwei-Prozent-Ziels. Obendrein wird erwartet, dass das Preisniveau mindestens in der kurzen Frist nochmals einen kleinen Schub erhalten könnte, wenn sich die höheren Zölle nach und nach ihren Weg in die Verbraucherpreise bahnen – mit darüber hinaus unklaren Implikationen für die mittlere Frist.
Uneinigkeit im inneren Zirkel
Wäre es hingegen nach Fed-Gouverneur Christopher Waller gegangen, wäre der fünfte Zinsentscheid des Jahres mit einer ersten Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte zu Ende gegangen. Diese Einschätzung unterstrich er bereits knapp zwei Wochen vor der eigentlichen Zinssitzung ausführlich im Rahmen einer Rede an der New Yorker Universität (Speech by Governor Waller on the economic outlook - Federal Reserve Board).
Zum einen argumentierte Waller, dass die Zölle wahrscheinlich nur begrenzte Auswirkungen auf die Inflation haben werden. Für ihn sei in diesem Zusammenhang von Bedeutung, dass er bislang keine Entankerung der marktbasierten Inflationserwartungen gesehen habe. Damit dürften die Zollerhöhungen nach Wallers Auffassung wahrscheinlich nur einen einmaligen Preisschub darstellen, der die Inflation nicht nachhaltig erhöhe.
Außerdem stehe die kommunizierte und die tatsächliche geldpolitische Ausrichtung seines Erachtens nicht im Einklang, wie Waller ausführte. So spreche die Fed von einer „mäßig“ restriktiven Ausrichtung. Für ein Gremium, das – basierend auf den Juni-Projektionen – in der langen Frist im Schnitt einen Zinssatz von etwa drei Prozent für angemessen hält, empfindet Waller den gegenwärtigen Aufschlag von 125 bis 150 Basispunkten zum langfristig „neutralen“ Zins allerdings als zu hoch, um den Restriktionsgrad als nur „mäßig“ abzutun. Entsprechend müsse die Distanz zu besagtem Langfristzins verringert werden.
Nicht zuletzt sorgt sich Waller um das zweite Standbein des dualen Mandats, die Vollbeschäftigung. Während eine weiter robuste Arbeitslosenquote von 4,1 Prozent im Juni die jüngeren Schlagzeilen bestimmte, erachtet er den Blick unter die Haube als nicht ganz so erfreulich. Denn der jüngste Beschäftigungszuwachs von knapp 150.000 Personen im Juni entfiel etwa zur Hälfte auf Staatsbedienstete.
Waller selbst konzentriere sich in seiner Analyse hingegen lieber auf den Privatsektor, weil dieser den Löwenanteil der Arbeitskräfte sowie einen besseren Indikator für die konjunkturelle Entwicklung darstelle. Diesbezüglich relativieren die Beschäftigungsgewinne im öffentlichen Bereich die Dynamik in der Privatwirtschaft. Gleichzeitig würden Datenrevisionen der vergangenen Jahre nahelegen, dass die Daten zur Beschäftigung im privaten Sektor überschätzt und bei der Benchmark-Revision Anfang 2026 nach unten korrigiert werden könnten. Und sofern Wallers Befürchtung hinsichtlich der Datenrevisionen eintreffe, könnte der Beschäftigungszuwachs im privaten Sektor bereits fast zum Stillstand gekommen sein und ernstzunehmende Warnsignale senden.
Mehr als nur eine Ermessensfrage?
Wallers Argumente wirken sauber hergeleitet. Gleiches gilt aber zweifelsfrei auch für die Sorge um zollbedingte Aufwärtsrisiken für die Inflation, die eine weiter abwartende Haltung rechtfertigen. Denn ähnlich wie in den Jahren 2021 und 2022, als die Fed einen dynamischen Anstieg der Teuerungsraten zunächst fälschlicherweise als vorübergehend einstufte, könnten die US-Notenbanker in der jetzigen Situation erneut Gefahr laufen, die Persistenz zu hoher Inflationsraten zu unterschätzen.
Am Ende des Tages unterstreichen die Meinungsverschiedenheiten aber vor allem eines: Die chronischen Herausforderungen der Geldpolitik, die stets unter Unsicherheit agiert und Zinsentscheidungen – zumindest in einem gewissen Rahmen – zu einer Ermessensfrage werden lässt.
Keine Ermessensfrage, sondern politisches Kalkül sind hingegen die anhaltenden Versuche der US-Administration, Einfluss auf die Zinspolitik der Fed nehmen zu wollen. Vor diesem Hintergrund könnte Wallers klares Bekenntnis zu einer ersten Zinssenkung auch in einem anderen Licht erscheinen.
Schließlich könnte sein Vorpreschen als Versuch verstanden werden, sich für das Amt des Notenbankpräsidenten in Stellung zu bringen, wenn Jerome Powells Amtszeit als Fed-Vorsitzender im Mai 2026 endet.
Allerdings sind derartige Fragestellungen für Außenstehende kaum seriös zu beurteilen. Es ließe sich auch so interpretieren: Vielleicht zeigen sich einige Mitglieder der US-Notenbank nach außen bewusst uneinig oder offen für Zinssenkungen – nicht, weil sie vollends überzeugt davon sind, sondern um dem Präsidenten entgegenzukommen. Der Gedanke dahinter: Wenn Trump das Gefühl hat, dass seine Wünsche gehört werden, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er im kommenden Jahr niemanden ins Amt des Fed-Chefs beruft, der versucht, seine Interessen aggressiv durchzusetzen – und damit nicht zur unabhängigen Ausrichtung der Notenbank passt.
Konstanz und Ignoranz
Derartige Spekulationen über die Motivation einzelner Akteure liefern ernsthaften Kapitalmarktteilnehmern für den Moment vermutlich einen deutlich geringeren Nutzen als den Leserinnen und Lesern der Presse. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass mehr oder weniger abweichende Interpretationen der Großwetterlage zunächst einmal zum Tagesgeschäft der geldpolitischen Meinungsbildung gehören – gerade in unsicheren Zeiten wie diesen. Insofern ist Vorsicht geboten, Meinungsverschiedenheiten wie diese überzubewerten.
Was sich aber festhalten lässt, ist der Umstand, dass die US-Notenbank den Sirenenklängen aus dem Weißen Haus weiterhin erfolgreich widerstehen konnte. Geldpolitische Konstanz bleibt in diesen Tagen gewissermaßen gleichbedeutend mit der wissentlichen Ignoranz Trumpscher Seitenhiebe. Nach vorne schauend muss geldpolitische Konstanz jedoch keineswegs in einem Festhalten am aktuellen Zinsniveau münden. Aktuell preist der Kapitalmarkt dann auch zwei Zinssenkungen in diesem Jahr ein. Ob es so kommt, muss die weitere Datenlage zeigen.
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