16.10.2017 -
Seit 1999 gibt es den Euro. Unter dem Strich hat sich sein Kurs zum US-Dollar seither kaum verändert. Das sollte aber nicht über die Schwächen unserer Währung und der Eurozone hinwegtäuschen.
Gehen wir davon aus, der Euro war 1999 im Vergleich zum US-Dollar „richtig“ bewertet und berücksichtigen die seither etwas höhere Inflation in den USA (2,2 Prozent gegenüber durchschnittlich 1,8 Prozent in der Eurozone), dann ergibt sich heute ein Gleichgewichtsniveau, auch Kaufkraftparität genannt, von etwa 1,27 US-Dollar (vgl. Grafik 1).
Ein solch allgemein gültiger Gleichgewichtspreis lässt sich leider nicht exakt ermitteln; er taugt auch nicht als Prognoseinstrument, wie die Historie uns lehrt. Weit größer sind deshalb die Bedeutung der Wirtschafts- und Zinsentwicklung sowie die politische Stabilität in einem Währungsraum.
Letzteres ist vor allem für einen Staatenbund wie die Eurozone bedeutsam. Die Zinsdifferenz zwischen US-amerikanischen und deutschen Staatsanleihen ist seit Jahresbeginn von 2,3 auf 1,8 Prozentpunkte gefallen. Die Gründe dafür sind der Rückgang der Anleiherenditen in den USA und – andersherum – der Rendite-Anstieg in der Eurozone. In den vergangenen Monaten hat der Euro dennoch weiter aufgewertet und dass obwohl sich die Renditedifferenz kaum verändert hat. Offenbar erwarten viele Marktteilnehmer, dass sich die Wirtschaft in der Eurozone besonders gut entwickelt, sich die Währungsgemeinschaft weiter stabilisiert und damit der Europäischen Zentralbank (EZB) den Ausstieg aus ihrer ultralockeren Geldpolitik erleichtern könnte.
In den USA dagegen ist die Hoffnung auf einen kräftigen Konjunkturaufschwung verflogen. Die US-Regierung konnte bislang keines ihrer geplanten Reformvorhaben umsetzen. Viele Investoren, die auf einen weiteren Anstieg der US-Währung gesetzt hatten, dürften ernüchtert ihre US-Dollar- Bestände abgebaut haben.
Ende des Quartals ist der Euro allerdings gebremst worden. Die vermeintlich langweiligste Wahl des Jahres hat Spuren, vor allem aber eine geschwächte Bundeskanzlerin Angela Merkel hinterlassen. Die Koalitionsverhandlungen werden an den Finanzmärkten genau beobachtet, denn die EZB wird den Zusammenhalt der Eurozone nur dann garantieren können, wenn sie sich der Unterstützung der größten Volkswirtschaft sicher sein kann; mit der FDP als stärkerem Partner in einem Jamaika-Bündnis dürfte sich Kanzlerin Merkel zumindest sehr viel schwerer tun, den Vorschlägen Frankreichs zu folgen, die Integration der Eurostaaten voranzutreiben.
Alles, was daraufhin deuten würde, die Währungsgemeinschaft zu einer Transferunion umzufunktionieren, in der der Norden die Rechnungen für den Süden begleichen soll, dürfte die Parteien am Rande des politischen Spektrums weiter stärken. Ein „Koste-es-was-es-wolle“-Garantieversprechen für den Zusammenhalt der Eurozone, wie es EZB-Präsident Mario Draghi einst formuliert hat, ist von der neuen deutschen Bundesregierung dann auch nicht zu erwarten.
Inwieweit sich eine veränderte Bundespolitik auf die Geldpolitik der EZB auswirken könnte, bleibt abzuwarten. Selbst wenn die EZB im nächsten Jahr den Ausstieg aus dem Anleihekaufprogramm plangemäß durchführen sollte, heißt dies nicht, dass damit
dann auch eine Zinswende verbunden ist – zumindest keine, die den Namen auch verdient. Nehmen wir die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) als Beispiel: Als die Fed 2014 begonnen hat, ihre Anleihekäufe zu reduzieren (das sogenannte „Tapering“), sind die Renditen nicht – wie von vielen erwartet – weiter gestiegen, sondern in der Folge zurückgefallen (vgl. Grafik 2).
Ähnliches könnte auch in der Eurozone passieren, zumindest was die Renditen von Bundesanleihen betrifft. Sie dürften auch dann als sicherer Hafen gefragt sein, sollte sich die EZB tatsächlich zurückziehen. Anders könnte es im Falle Italiens oder Spaniens aussehen; dort könnten die Anleiherenditen deutlicher zulegen, vorausgesetzt, die Investoren gehen davon aus, dass die EZB dauerhaft als Käufer ausfällt.
Die Krux an der Geschichte: Draghis „whatever-it-takes“-Versprechen ist nur dann zu halten, wenn die EZB jederzeit die Möglichkeit hat, Anleihen von Ländern zu kaufen, die in Schwierigkeiten sind. Wer also glaubt, die EZB würde sich 2018 endgültig zurückziehen, geht davon aus, dass die Eurozone sich all ihrer Probleme entledigt und die Krise hinter sich gelassen hat. Eine recht kühne Annahme, wie wir finden. Ein Blick nach Spanien, besser nach Katalonien, reicht dieser Tage aus, um zu erkennen, dass dem nicht so ist.