19.05.2017 -
In den Büchern der Zentralbanken finden sich Wertpapiere und Schuldtitel im Wert von vielen Billionen Euro. Anleger müssen sich wohl noch lange der expansiven Geldpolitik auseinandersetzen. Ein Vergleich zeigt, welche Notenbank die größte Bilanzsumme hat.
Im Sport sind Weltmeisterschaften die Höhepunkte des Jahres. Etwa für Eishockey-Spieler, die sich derzeit in Köln und Paris messen. Hier gelten die Teams von Kanada und Russland als Favoriten. Beim Fußball zählt auch Deutschland zu den Top-Teams. Im nächsten Jahr möchte sich „die Mannschaft“ gegen die Konkurrenz aus Spanien, Frankreich und Argentinien durchsetzen.
Weit weniger Beachtung findet ein globales Kräftemessen, das sich derzeit in der Welt des Geldes abspielt. Dabei geht es um Summen, die unerfahrene Beobachter wohl als „astronomisch“ beschreiben würden. Es handelt sich um den Wettkampf der Notenbanken um die expansivste Geldpolitik.
In der „Notenbankweltmeisterschaft“ der entwickelten Volkswirtschaften gibt es einen neuen Führenden: die Europäische Zentralbank (EZB). Nach der jüngsten Euroaufwertung schiebt sich die EZB an der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) und der Bank of Japan (BoJ) vorbei. Mit 4.157 Milliarden Euro (umgerechnet 4.544 Milliarden US-Dollar) weist die EZB im Mai die größte Bilanzsumme aller Industrieländer aus (siehe Grafik: „Neuer Spitzenreiter“). Im weltweiten Vergleich wird diese Bilanz lediglich von der People‘s Bank of China (PBoC) mit ihren gewaltigen Devisenreserven in den Schatten gestellt (siehe Grafik: „Neuer Spitzenreiter“).
Der Vergleich zeigt: Die drei Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed können kaum darüber hinwegtäuschen, wie expansiv die Geldpolitik auf globaler Ebene – trotz eines mittlerweile jahrelangen Wirtschaftsaufschwungs – weiterhin ist. Denn die Ausweitung der Bilanzsummen ist das Ergebnis der lockeren Geldpolitik, zu der beispielsweise auch der Ankauf von Staatsanleihen gehört.
Die Bilanzen der Zentralbanken weisen aber nicht nur aus, wer die größte Ansammlung an Vermögenswerten hat. Der genaue Blick in die Bücher zeigt: Trotz recht ähnlichen Bilanzgrößen unterscheidet sich die Zusammensetzung der Aktiva deutlich. Die BoJ hält vor allem japanische Staatsanleihen, die 85 Prozent der Aktiva ausmachen. Bei der Fed gesellen sich zu den US-Staatsanleihen (55 Prozent) auch hypothekenbesicherte Kreditverbriefungen, die für 40 Prozent ihrer Aktiva stehen und deren Ankauf einen wesentlichen Beitrag zum Überleben der großen US-Immobilienfinanzierer lieferte. Die diversen Wertpapierkaufprogramme der EZB steuern aktuell lediglich 47 Prozent zur EZB-Bilanzsumme bei. Daneben gewährt die EZB den darbenden europäischen Banken im Rahmen „langfristiger Refinanzierungsoperationen“ Kredite zu Null- und Negativzinsen in Höhe von etwa 19 Prozent ihrer Bilanzsumme (siehe Grafik: „Die EZB füllt Ihre Bestände“).
In den kommenden Monaten dürften die Bilanzsummen von EZB und BoJ im Gleichschritt weiterwachsen – und auch die Bestände der chinesischen PBoC übertreffen. Während die EZB bis Jahresende mit Wertpapierkäufen von rund 60 Milliarden Euro jeden Monat plant, sind es bei der BoJ monatlich rund sieben Billionen Yen (umgerechnet rund 68 Milliarden Euro). Bei der Fed wird unterdessen darüber diskutiert, wie man die gigantische Bilanzsumme wieder reduzieren könne – ein Projekt, das nach unserer Einschätzung aber eher halbherzig angegangen werden dürfte und sich wohl über mehrere Jahre hinziehen könnte. Wenn es die wirtschaftliche Entwicklung überhaupt zulässt.
Auch mit Blick auf das Zinsniveau dürfte die Geldpolitik unseres Erachtens noch einige Zeit expansiv bleiben. BoJ und EZB dürften auf absehbare Zeit am Nullzins festhalten und beeinflussen mit dieser Entscheidung auch die Zinsen im Rest der Welt. Eine spürbare Entkopplung der US-Geldpolitik von diesen Vorgaben erscheint – trotz der bisherigen Zinsschritte – in einem solchen Umfeld kaum wahrscheinlich. Steigende Zinsen belasten in den USA nicht nur die Schuldentragfähigkeit von Konsumenten und Unternehmen. Sie erhöhen auch die Attraktivität des US-Dollars als Anlagewährung. Und ein starker Dollar ist wiederum Gift für das Geschäft vieler US-Unternehmen, die ihre Waren und Dienstleistungen ins Ausland exportieren. Wenn die US-Wirtschaft aber wegen einer geldpolitischen Straffung schwächeln sollte, dann hätten sich auch die Gründe für weitere Zinserhöhungen schnell erledigt.
Das Fazit für die Anlagestrategie unserer Fonds fällt eindeutig aus. Zaghafte Zinserhöhungen in den USA sind unseres Erachtens nicht der Beginn einer globalen Zinswende, denn die Geldpolitik der USA wird eben auch in Frankfurt und Tokio gemacht. Auch wenn die aggregierten Notenbankbilanzsummen der entwickelten Volkswirtschaften bereits Rekordstände markieren, wird die lockere Geldpolitik nach unserer Einschätzung wohl auf Sicht fortgesetzt. In absoluten Zahlen hat die EZB, die eigentlich nur für „Preisstabilität“ sorgen soll, mittlerweile sogar die Nase vorn. Der Einfluss der Notenbanken auf die Bewertung aller Anlageklassen bleibt damit von herausragender Bedeutung. Risiken und Nebenwirkungen, die aus dieser Geldpolitik erwachsen, werden durch die Inflation der Vermögenspreise immer sichtbarer. Eine ausgewogene Anlagestrategie sollte unseres Erachtens diesen Risiken begegnen – mit einem Fokus auf Sachwerte und einer intelligenten Streuung des Vermögens auf verschiedene Einzeltitel, Anlageklassen, Regionen und Währungen.
Julian Marx ist Analyst im Multi-Asset-Team von Flossbach von Storch.