28.12.2016 -
Zum Ende des Jahres ist es Zeit für einen kurzen Rückblick. Eins steht fest: 2016 dürfte in Erinnerung bleiben. Es ist ein Börsen-Jahrgang, der uns gleich mehrere Überraschungen bescherte. Ökonomische, vor allem aber politische. Überraschungen, deren Folgen uns noch eine ganze Weile beschäftigen dürften.
Das Jahr 2016 startete mit den Sorgen vieler Investoren, Chinas Wirtschaft könnte kollabieren. Es herrschte Furcht vor dem nächsten großen Crash. Der Dax, ein Abbild der China-abhängigen deutschen Exportindustrie, verlor zeitweise mehr als 20 Prozent. In den Emerging Markets sackten die Kurse zum Teil noch deutlicher ab. Die Währungen einzelner Schwellenländer verloren kräftig an Wert – zumindest vorübergehend.
Am Jahresende ist davon keine Rede mehr. Der Dax hat sich weitgehend erholt. Andernorts, in den USA etwa, sind die Aktienindizes sogar auf neue Höchststände geklettert. Chinas Probleme sind aber nicht über Nacht verschwunden. Da sind der schwächelnde Industriesektor, der aufgeblähte und kostenintensive Staatsapparat und der stetig wachsende Berg fauler Kredite zu nennen. Die Probleme sind immer noch da – und dürften uns auch künftig beschäftigen. Allerdings hat sich die Perspektive der Investoren im Laufe des Jahres verändert. Andere Dinge sind in den Fokus geraten.
Im Sommer machte der Brexit Schlagzeilen. Es ist nicht so, als hätten wir fest mit diesem Ausgang des britischen Referendums gerechnet. Das haben wir nicht. Aber wir waren auch nicht überrascht. Dass es eine knappe Angelegenheit werden würde, hatten wir immer betont. Wir schrieben: „Populismus ist wieder gefragt.“ Weltweit. Nicht erst seit diesem Sommer. „Denke das Undenkbare“, – diese Haltung haben wir in den vergangenen Jahren verinnerlicht. Die Ereignisse des Jahres 2016 bestärken dies. Es wäre fahrlässig zu glauben, die Welt veränderte sich nicht und Strukturbrüche kämen nicht vor.
Unser Kommentar zu den ökonomischen Auswirkungen des Brexit damals: Die Folgen werden überschaubar bleiben. Niemand würde seine Geschäfte mit Großbritannien einstellen, nur weil sich die Briten aus der EU verabschiedet haben. An dieser Einschätzung hat sich seither nichts geändert. Schwerwiegender dürften langfristig die politischen Auswirkungen des Brexit sein. Denn die Briten könnten Nachahmer finden. Die EU jedenfalls ist beschädigt. Sie muss konkrete und keine wachsweichen Antworten darauf finden, warum es erstrebenswert ist, Teil der Europäischen Union zu sein. Die große Frage lautet: Kann sie das?
Ihr Erweckungserlebnis erfuhren die Populisten im November mit der Wahl Donald Trumps zum 45. Präsidenten der USA. Wer vor fünf Jahren behauptet hätte, der Immobilien-Unternehmer und Reality-TV-Star würde einmal der mächtigste Politiker der Welt werden, wäre ausgelacht worden. Und doch heißt der nächste Präsident Donald Trump.
Getreu unserem Motto: „Denke das Undenkbare“, diskutierten wir am Tag vor der Wahl darüber, was passieren könnte – und was wir tun sollten. Bei einem Sieg Trumps, so dachten wir, würden sich aus Investorensicht gewiss attraktive Opportunitäten ergeben. Denn die Kurse würden deutlich nachgeben. Wir hatten deshalb limitierte Orders in den Markt gegeben.
Doch der Kursrückschlag war nur kurzfristig und auf die Märkte in Asien beschränkt. Nachdem Trump die Wahl kommentiert und eine für seine Verhältnisse äußerst versöhnliche Rede gehalten hatte, drehten die Märkte deutlich ins Plus. Binnen einer halben Stunde änderte sich die Sicht der Investoren, der Chaot wurde für sie zum Messias. Trumps vages Versprechen, Millionen neuer Arbeitsplätze zu schaffen und massiv in die US-Infrastruktur investieren zu wollen, nahmen viele Anleger allzu wörtlich. So deckten sie sich mit Aktien von Unternehmen ein, die von einem Konjunkturaufschwung profitieren würden. Die Indizes stiegen. Wie die Regierung Trump diese Wohltaten bezahlen will, sei erst einmal dahingestellt.
Populismus ist kein angloamerikanisches Phänomen, auch wenn einige deutsche Medien das ihren Rezipienten weismachen möchten. Der zunehmende Vertrauensverlust in politische Institutionen, aber auch Medien oder Notenbanken, betrifft nicht zuletzt Europa. „Ihr da oben, wir da unten“, ist der Wahlspruch vieler Frustrierten und Abgehängten. Die Sehnsucht nach einfachen Antworten ist groß. Dagegen zu sein ist bequem, wenn man nicht weiß, wofür man sein soll.
2017 dürfte sich der Fokus auf den alten Kontinent richten. Auf die Wahl in den Niederlanden etwa, wo sich der Rechtspopulist Geert Wilders als Befürworter eines Euro-Austritts des Landes positioniert. Oder die Präsidentschaftswahl in Frankreich, bei der Marine Le Pen von der Partei Front National ernsthafte Chancen eingeräumt werden. Philipp Vorndran hatte kürzlich Gelegenheit, sich mit Manuel Valls zu unterhalten. Der französische Premier wollte auf seine Nachfrage nicht ausschließen, dass Le Pen tatsächlich Präsidentin werden könnte. Und er wollte auch nicht ausschließen, dass Frankreich einmal aus der Eurozone austreten könnte, wenn es Europa nicht gelingt, für die identitätsstiftenden Ideen der Währungsgemeinschaft zu werben. Wer hätte das vor fünf Jahren für möglich gehalten?
Auch in Deutschland punkten die politisch ganz rechts und links verorteten Parteien derzeit mit einfachen Parolen und Wahrheiten. Die Bundestagswahl rückt näher.
Das Thema Populismus dürfte uns in den kommenden Monaten intensiv beschäftigen. Es ist zu hoffen, dass sich die etablierten Parteien intensiv mit ihren eigenen Versäumnissen beschäftigen – und die passenden Antworten finden. Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass das nicht einfach wird.