25.07.2017 -
Zuerst brachen die Zinsen für Festgeld ein. Dann zogen die Sätze bei Tagesgeld Richtung null Prozent. Nun schwächelt auch das letzte Lieblingsprodukt konservativer Zins-Anleger – sichere Anleihen.
Wie einfach war doch früher die Welt für konservative Anleger. Mit Zinskonten konnte man noch auskömmliche Renditen erzielen. Dann kam die Finanzkrise.
Zuerst brachen die Festgeld-Zinsen ein. Die Konditionen für lange Laufzeiten orientieren sich an den Zins-Prognosen der Banken. Im Zuge der Krise sanken diese besonders stark. Bei Festgeldern mit einer Laufzeit von 12 Monaten waren im Jahr 2008 noch mehr als vier Prozent üblich. Spätestens ab dem Jahr 2010 gab es im Schnitt kaum mehr als zwei Prozent. Aktuell steht bei den meisten Offerten eine Null vor dem Komma.
Dann ging es bei den Tagesgeldern runter. Hier orientieren sich die Konditionen eher an den aktuellen Zinsvorgaben. Vor der Finanzkrise waren Festgelder in der Regel deutlich besser verzinst als Tagesgelder. Mehr als drei Prozent waren üblich. Aktuell gibt es auch hier im Marktschnitt kaum noch mehr als null Prozent.
Die letzte Bastion für konservative Zinssparer waren zuletzt Anleihen. Das lag an der Mechanik dieser Finanzprodukte. Wenn die Rendite einer Anleihe fällt, steigt in der Regel der Kurswert. Die Tiefzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) hat Anleihen, insbesondere solche mit hoher Bonität, aber unattraktiv gemacht. Die Renditen sind im Keller und die weiterhin lockere Geldpolitik wird daran wenig ändern. Die Zeiten, in denen die mageren Zinskupons von Anleihen durch üppige Kursgewinne aufgepeppt wurden und ihren Inhabern noch einen ansehnlichen Gesamtertrag beschert haben, sind unseres Erachtens vorbei. Das verdeutlicht die Entwicklung des REXP-Index (deutscher Rentenindex), der den Gesamtertrag (Kurs und Zins) deutscher Bundesanleihen widerspiegelt (siehe Grafik).
Vor einem Jahr hat der Index seinen Höchststand erreicht. Seit April 2015 ist er kaum noch gestiegen. Bei Bundesanleihen ist mehr als eine Seitwärtsentwicklung in den kommenden Jahren unseres Erachtens eher nicht zu erwarten. Bei steigenden Renditen käme es sogar zu empfindlichen Kursverlusten.
Während viele institutionelle Anleger wie Versicherungsgesellschaften oder Pensionskassen und Versorgungswerke auch zukünftig gezwungen sein werden, an dieser wenig aussichtsreichen Anlageklasse festzuhalten, sind die Perspektiven für Investoren, die keinen regulatorischen Zwängen unterliegen, deutlich besser.
Nachdem Immobilieninvestoren das tiefe Zinsniveau längst als neue Normalität in ihr Renditekalkül einbezogen und die Bewertungen in bis dato unbekannte Höhen getrieben haben, waren Aktienanleger bislang deutlich zurückhaltender. Die gegenwärtige Sorge vor einer Zinswende ist aus Sicht eines Anleiheinvestors deshalb eher zu verstehen als aus der eines Aktienanlegers. Erst wenn ein Anstieg der Zinsen auf Niveaus früherer Zeiten zu befürchten wäre, könnte es am Aktienmarkt zu einer Neubewertung kommen.
Tatsächlich sind die Zinsen, vor allem in der Eurozone, aber immer noch tiefer, als man sich dies vor einigen Jahren in den kühnsten Träumen hätte vorstellen können. Zu keinem Zeitpunkt waren sie in das Kalkül der Anleger voll eingepreist, sonst wären Aktien heute wesentlich teurer.
Der „Weltzins“ als Mittelwert der Renditen von Bundesanleihen und US-Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit liegt aktuell bei knapp 1,5 Prozent. Anfang 2017 waren es 1,3 und zum absoluten Tiefpunkt im Sommer vergangenen Jahres 0,8 Prozent. Erst Niveaus wie Ende 2013, als die Renditen von Bundesanleihen bei zwei und die Bundesanleihen bei zwei und die von US-Staatsanleihen bei drei Prozent lagen (Weltzins 2,5 Prozent), dürften unseres Erachtens die Bewertungen von Aktien drücken. Betroffen wären vor allem defensive Aktien von ertragsstabilen Unternehmen. Ein so deutlicher Anstieg des Zinsniveaus ist unseres Erachtens allerdings wenig wahrscheinlich.
Aktien bleiben für langfristig orientierte Anleger unseres Erachtens deshalb weiterhin die mit Abstand attraktivste Anlageklasse. Ob die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe bei 0,5 Prozent oder einem Prozent steht, spielt für die langfristige Bewertung von Aktien dabei keine entscheidende Rolle. Rückschläge, die es in den kommenden Jahren gewiss geben wird, können Kaufgelegenheiten bieten.