09.10.2018 -
Wer erfolgreich wirtschaften will, muss langfristig denken. Bert Flossbach analysiert, wie nachhaltig Politik, Unternehmen und Notenbanken handeln. Zunächst geht es um Italiens Staatsfinanzen.
Als aktiver langfristig denkender Investor schauen wir mit einem besonderen Blick auf Unternehmen und den Rahmen, der von Wirtschaft und Politik gesteckt wird. Die Frage, die uns bei allen Überlegungen umtreibt: Wie beständig, stabil, zukunftsfähig, langfristig und dauerhaft sind die Entscheidungen, die in Unternehmen, aber auch in Politik und Institutionen getroffen werden. Kurz: Wie nachhaltig sind diese Entscheidungen?
Als Investoren, die aktiv in Unternehmen investieren, möchten wir genau wissen, wie die Manager ticken. Was sie antreibt, wofür sie arbeiten und was ihnen wichtig ist. Unsere Erfahrung zeigt: Wer hier langfristig und nachhaltig handelt, der kann Krisen besser überstehen als jene, denen nicht an einer dauerhaft positiven Entwicklung gelegen ist. Das ist unsere ganz persönliche Erfahrung aus dem New-Economy-Boom der Jahrtausendwende und der Finanzkrise. Gerade die Finanzkrise zeigte aber auch, dass es nicht mit dem Blick auf Unternehmen getan ist.
Nachhaltigkeit muss zwingend ganzheitlich verstanden werden: Wir müssen die Entwicklung an den Kapitalmärkten und die Stabilität des Finanzsystems aus dieser Perspektive betrachten. Ein Blick auf die italienischen Staatsfinanzen liefert hier ein gutes Beispiel für die Bedeutung von Nachhaltigkeit für die Stabilität eines ganzen Währungsraums.
Der Schuldenberg Italiens beträgt 2,3 Billionen Euro oder 131 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Italien muss 2019 fällige Anleihen und Zinszahlungen im Volumen von mindestens 300 Milliarden Euro refinanzieren. Hinzu kommt die von der italienischen Regierung angestrebte Neuverschuldung von 2,4 Prozent des BIP. Dies ist dreimal so viel wie ursprünglich geplant, und die Haushaltsplanung basiert zudem noch auf optimistischen Wachstumsannahmen. Realistischer dürfte deshalb ein Wert von 2,5 bis 3,5 Prozent sein. Daraus lässt sich für die kommenden Jahre eine Neuverschuldung von jährlich 45 bis 63 Milliarden Euro ableiten, die sich Italien am Kapitalmarkt beschaffen muss. Auf die Unterstützung der Europäischen Zentralbank (EZB) kann die italienische Regierung dabei vorerst nicht mehr bauen, da diese plant, ab 2019 keine zusätzlichen Anleihen mehr zu kaufen.
Die meisten Anleihen liegen in den Büchern italienischer Banken und Versicherungen, die sich bereits vor Jahren mit italienischen Staatspapieren eingedeckt haben und aktuell mit rund 1.100 Milliarden Euro etwa die Hälfte des Gesamtvolumens halten. Offiziell gelten italienische Staatsanleihen als risikolos und müssen deshalb von den Banken nicht mit Eigenkapital unterlegt werden. Sie sind aber durchaus riskant, wie die empfindlichen Kursverluste der vergangenen Monate zeigen. Dies hat auch die Aktien von europäischen Banken stark in Mitleidenschaft gezogen, die seit Mitte April um durchschnittlich 20 Prozent gefallen sind. Die Aktien der italienischen Großbanken haben sogar 30 Prozent verloren, was ihren Appetit auf weitere Staatsanleihen zügeln dürfte.
So bleiben nur noch ausländische Investoren, um die Finanzierungslücke zu füllen. Sie halten derzeit mit rund 710 Milliarden Euro knapp ein Drittel der italienischen Staatsschuld. Auch sie dürften nach den Erfahrungen der vergangenen Monate kaum bereit sein, ihr Engagement weiter auszubauen. Selbst ein weiterer Anstieg der Renditen, die schon jetzt mit 3,3 Prozent (zehnjährige Laufzeit) den höchsten Stand seit 2014 erreicht haben, dürfte nicht ausreichen, solange die Regierung keine Bereitschaft zeigt, mehr Haushaltsdisziplin walten zu lassen und gleichzeitig aufgeschobene Strukturreformen anzugehen. Dies ist angesichts der jüngsten Äußerungen einiger Regierungsmitglieder, die ihre Wähler nicht mit neuen Sparprogrammen düpieren wollen, sondern einen „Haushalt des Volkes“ fordern, nicht zu erwarten.
Damit bleibt der Schwarze Peter bei der EZB, die weiterhin als Retter der letzten Instanz agieren muss. Dazu muss sie aber von ihrem Ziel abrücken, ihre Geldpolitik zu normalisieren oder eine Deckelung des Risikoaufschlags für italienische Staatsanleihen garantieren.
Zu den weiteren Teilen der Serie zur Nachhaltigkeit finden Sie hier:
Teil 2: Wie stabil ist der Euro?