19.06.2017 -
Passives Investieren mit Exchange Traded Funds (ETFs) erlebt einen Boom. Eine Analyse zeigt aber: Die Anleger agieren alles andere als passiv. Sie handeln aktiv - und voller Hektik. Und gefährden den Anlageerfolg.
Jack Bogle, der Urvater des passiven Investierens, ist nicht gerade als Verfechter menschlicher Fähigkeiten bekannt. Sein Credo: Wer keine Entscheidung trifft, der macht auch keine Fehler – und spart obendrein Kosten. Die Lehre aus diesem (etwas nihilistischen) Menschenbild: Wer dem breiten Markt folgt, soll erfolgreicher sein als aktive Investoren, die ihre Portfolios aktiv optimieren.
Auch wenn es keinen finalen Beweis für diese These gibt, vertrauen diesem Ansatz Millionen Anleger auf der ganzen Welt. Sie investieren ihr Geld in Exchange Traded Funds (ETFs). Die Mehrzahl von ihnen bildet einen Index nach, etwa den weltweiten US-Aktienindex S&P 500 oder den deutschen Leitindex Dax. Aktuell existieren rund 4.700 Aktien-ETF weltweit. Das Gesamtvolumen beträgt rund 3,4 Billionen US-Dollar.
Eine aktuelle Untersuchung des Flossbach von Storch Research Institutes zeigt jetzt: Anleger handeln „passive“ ETFs in der Praxis aber „aktiver“ als die Aktien in den Indizes, auf denen die ETFs basieren. Damit führen sie die Idee des ETF-Erfinders Jack Bogle ad absurdum. Denn der Pionier des passiven Investierens ging von einem langfristigen Anlagehorizont aus. Investments sollten dauerhaft angelegt werden, alles andere wäre pure Spekulation. „Hin und her macht Taschen leer“ lautet eine populäre Börsenweisheit.
Eben das funktioniert mit ETF besonders einfach. Nach Analyse des Flossbach von Storch Research Institute verleitet die bequeme Handelbarkeit „per Mausklick“ viele Anleger offenbar zu allzu flinken Kauf- und Verkaufsorders.
So lag das Handelsvolumen im US-Aktienindex S&P 500 (relativ zur Anzahl der ausstehenden Aktien) im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. März 2017 bei 0,88 Prozent am Tag. Der größte US-ETF auf diesen Index kam hingegen auf ein durchschnittliches (relatives) Volumen von 12,4 Prozent. Das bedeutet, dass jeden Tag knapp ein Achtel des ETF-Volumens umgeschlagen wird. Nach acht Handelstagen hätte das gesamte Volumen in Höhe von rund 200 Milliarden Euro den Besitzer gewechselt.
Auch wenn dieser Fonds in der Untersuchung herausragt, zeigt die Untersuchung: Bei jedem der drei größten ETFs auf den S&P 500, dem Dax und dem britischen FTSE 100 lag das Handelsvolumen deutlich über dem Niveau am unterlegten Aktienmarkt.
Noch gravierender wird der Unterschied an außergewöhnlichen Handelstagen. Am ersten Börsentag nach dem Brexit lag das Volumen bei den drei größten ETFs mehr als doppelt so hoch wie beim realen Markt (dem britischen Aktienindex FTSE 100). Nach der Wahl Donald Trumps wurden die großen US-ETFs dreimal so stark gehandelt wie die Aktien im realen Aktienindex S&P 500. Bei den Dax-ETFs war das Volumen an diesem Tag immerhin noch zweieinhalb Mal so hoch wie am Markt.
In der Praxis scheinen ETF-Anleger nicht passiv, sondern hyperaktiv zu investieren. Sie nutzen Aktien-ETFs offenbar eher für kurzfristige Spekulationen als zum langfristigen Vermögensaufbau. Diese Form von Geldanlage setzt allerdings eine hohe Marktkompetenz und exzellentes Timing voraus. Kompetenzen, die ETF-Pionier Jack Bogle wohl vermutlich nicht allen Anlegern zutrauen würde.