12.05.2017 - Flossbach von Storch

„Bleibt zu hof­fen, dass die Kuh nicht ge­schlach­tet wird“


„Bleibt zu hof­fen, dass die Kuh nicht ge­schlach­tet wird“
Thomas Mayer

Emmanuel Macron hat die Wahl zum französischen Staatspräsidenten gegen Marine Le Pen gewonnen. Im Interview spricht Thomas Mayer über die Pläne Macrons – und was sie für Europa, allen voran die Steuerzahler in Deutschland bedeuten könnten.

Frankreichs neuer Staatspräsident heißt Emmanuel Macron. Die Erleichterung ist groß. Wie schätzen Sie den Wahlausgang ein?

Macrons Anhänger erwarten vor allem von ihm, dass er das Land wirtschaftlich voranbringt. Ein prosperierendes Frankreich würde aber nicht nur den Franzosen helfen, sondern der gesamten Eurozone – vor allem Deutschland, das derzeit unfreiwillig in die Rolle des Schutzpatrons und Zahlmeisters gedrängt wird. Ob Macron die großen Erwartungen erfüllen kann, sei aber dahingestellt.

Warum?

Ein Grund ist sicherlich der völlig überdimensionierte Staatsapparat in Frankreich – er nimmt der französischen Wirtschaft die Luft zum Atmen.

Was meinen Sie damit?

Die Staatsausgaben allein machen in Frankreich 57 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, kurz BIP, aus. Selbst der deutsche Staatsanteil nimmt sich mit 44 Prozent dagegen bescheiden aus. Trotz hoher Steuersätze in Frankreich reichen die Einnahmen aber hinten und vorne nicht, um den Staatshaushalt zu finanzieren. Die Startbedingungen könnten für den neuen Präsidenten durchaus einfacher sein.

Macron will vor allem Arbeitsplätze schaffen.

Ein hehres, aber gleichermaßen ambitioniertes Ziel! Die Regulierungsdichte des französischen Arbeitsmarkts ist legendär. Der Mindestlohn beträgt 9,67 Euro je Stunde, die Arbeitszeit ist auf 35 Stunden die Woche beschränkt, und der Kündigungsschutz ist auch für EU-Standards formidabel. Kein Wunder, dass neue Arbeitsplätze in Frankreich nicht gerade aus dem Boden schießen – vorsichtig ausgedrückt. Die Leidtragenden sind vor allem junge Menschen: Die Arbeitslosenrate bei den unter 25-jährigen liegt bei 24 Prozent.

Wie würden Sie die Stimmung in Frankreich beschreiben?

Wir können nur die Rolle des Beobachters einnehmen. Ganz interessant finde ich die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage des Allensbacher Instituts. Der zufolge glauben 75 Prozent der Franzosen, dass es der heimischen Wirtschaft schlechtgeht. In Deutschland sehen das nur acht Prozent der Befragten so. Schauen Sie sich das Wahlergebnis an – das spiegelt die Unzufriedenheit der Franzosen sehr gut wieder, wie ich finde.

Aber Emmanuel Macron hat gewonnen – und nicht Marine Le Pen …

Aussagekräftig ist vor allem das Ergebnis des ersten Wahlgangs: Da haben gut 47 Prozent der Wähler nationalistischen und sozialistischen Kandidaten ihre Stimme gegeben. Macron kam gerade mal auf 24 Prozent. Seine deutliche Mehrheit im zweiten Gang hat er nicht zuletzt all jenen zu verdanken, die Le Pen unbedingt verhindern wollten.

Wie würden Sie denn sein Wahlprogramm bewerten?

Es sieht nur wenige Korrekturen vor, aber keine Reformen, die den Namen auch verdienen würden. Ich fürchte, das ist zu wenig. Möglicherweise endet Macron wie Matteo Renzi.

Wo sind die Parallelen?

Renzi war ebenfalls 39 Jahre alt, als er Anfang 2014 Italienischer Ministerpräsident wurde; er galt als Außenseiter des etablierten politischen Betriebs und hatte kaum Regierungserfahrung. Es hat nicht lange gedauert und er ist an den Widerständen mächtiger Interessengruppen und der politischen Insider gescheitert. Sie könnten einwenden, dass die wirtschaftlichen und finanziellen Probleme Frankreichs weit geringer sind als die der Italiener.

Aber?

Dafür sind die Widerstände der Franzosen gegen jede Veränderung deutlich größer.

Wie wird Macron mit den Widerständen umgeben?

Wie Renzi dürfte er versuchen, die Probleme seines Landes auf die EU abzuwälzen, wenn es ihm nicht gelingt, die Wirtschaft zu beleben. Schon heute ist er für einen größeren Haushalt der Union und will den Posten eines europäischen Finanzministers schaffen. Die Staatsschulden der Euroländer sollen durch die Ausgabe von Eurobonds vergemeinschaftet werden. Aus deutscher Sicht sind das keine guten Nachrichten.

Warum?

Deutschland könnte es mit einer Koalition lateineuropäischer Länder zu tun bekommen. Diese Koalition würde die Deutschen zu mehr finanzieller „Solidarität“ innerhalb der Europäischen Union drängen. Außenminister Sigmar Gabriel hat in vorauseilendem Gehorsam schon mal die Zahlungsbereitschaft des deutschen Steuerzahlers signalisiert. Bleibt nur zu hoffen, dass die Koalition der Europafreunde die deutsche Steuerkuh, die sie melken will, nicht versehentlich schlachtet.

Vielen Dank für das Gespräch

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